Alvin oder Der Guru im Hundepelz

 

Ich teile gerade mit einem Hund mein Leben, der mich zur Zen-Meisterin ausbildet. Er hat ein dichtes weisses Bärenfell, ist gute vier Monate alt, gehört der Rasse Maremmano an und heisst Alvin. Er ist eines der vielen Pflegekinder, die schon bei uns zu Gast waren.

 

Aber mit Alvin ist alles ein bisschen anders. Seine Lieblingsbeschäftigung ist Grenzen austesten und aufmüpfig sein. Er nimmt sich gerne Socken aus unseren Schuhen, was wir ihm schon hundertmal gesagt haben, dass die dort bleiben sollen, klaut unsere Pantoffeln, knabbert an der Sofadecke oder an unseren Kleidern rum, nur um zu beobachten wie wir darauf reagieren, muss mich immer auf die Toilette begleiten und bei meinem Morgenritual stören. Unsere nächsten Nachbarn verbellt er wenn sie kommen und wenn sie gehen und das, obwohl er nun schon über einen Monat bei uns ist und sie längst kennt. Ich könnte die Liste seiner Unarten noch endlos fortsetzen.

 

Gegen all das hilft nur eins, stoische Ruhe, Konsequenz und viel Geduld. Und das bringt mich manchmal an meine Grenzen. Denn es ist ja nicht so, dass ich nichts anderes zu tun hätte als mich mit den Hunden zu beschäftigen. Nebenbei läuft unser Business, der Tierschutz macht auch nie Urlaub und ich möchte mich natürlich auch um euch kümmern und euch mit schönen Artikeln unterhalten.

 

Irgendwann habe ich angefangen, Alvin als Geschenk zu sehen. Er ist ein Gesandter der Hundeliga, der mir all das beibringen soll, was anspruchsvolle Hunde brauchen und was eigentlich eh im Umgang mit allen Hunden nützlich ist. Er fördert meine Intuition, trainiert meine mentale Grenzsetzung und macht mir bewusst, wie hilfreich eine gleichmütige Einstellung all seinen Schandtaten gegenüber ist. Das kann ich wiederum gleich bei den anderen Hunden anwenden, und es wirkt auch dort Wunder.

 

Dazu nur ein Beispiel: Luis liebt es, am Tor vorne zu stehen und immer mal wieder grundlos irgendetwas da draussen zu verbellen, das nur für ihn sicht- oder riechbar ist. Damit stachelt er die anderen an, und im Nu habe ich fünf bellende Hunde am Tor, die Lärm machen um nichts. Bis jetzt habe ich versucht dies im Keim zu ersticken bevor es los ging, oder sie vom Tor abzurufen und zurückzupfeifen. Inzwischen bleibe ich innerlich völlig neutral, also gleichmütig und schon spüren das die Hunde und gehen gar nicht mehr zum Tor. Nur Luis bellt manchmal alleine da vorne, aber meist auch nur kurz.

 

Neben seinen Qualitäten als Guru hat Alvin auch Sinn für Gerechtigkeit, wirkt ausgleichend in der Gruppe, gibt moralische Unterstützung wenn einer krank ist - egal ob Mensch oder Hund - und ist im Grunde einfach ein liebenswerter Kerl.

 

Danke Alvin, dass du mein Leben reicher machst.


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